Bei der Wahl zum Vogel des Jahres 2023 ist das Braunkehlchen an die Spitze geflattert – mit einem beachtlichen Stimmenanteil von 43 Prozent. Auch wenn der kleine Vogel nicht ganz so auffällig ist wie sein Vorgänger, der Wiedehopf, lässt sich der 12 bis 14 Zentimeter große Wiesenbrüter gut erkennen: Er trägt eine Augenbinde, einen sogenannten Überaugenstreif. Deshalb wird er auch als „Wiesenclown“ bezeichnet. Die Kehle und die Brust sind orangebraun gefärbt, der Rücken ist braun mit dunklen Flecken. Die Weibchen sind wie bei fast allen Vogelarten etwas bräunlicher und dezenter gefärbt.
Braunkehlchen (Freilandaufnahme: Harald Bott ©)
In Deutschland findet man das Braunkehlchen vor allem im Osten und Norden. Seine Lebensräume sind recht unterschiedlich. Es bevorzugt artenreiche Wiesen ebenso wie trockene Magerrasen oder moorige Gebiete. Häufig verweilt der zierliche Vogel auf einem Zaunpfahl, einer hohen Staude, einer Distel oder einem Schilfhalm und startet von hier aus seine Jagdflüge. Taucht ein Greifvogel am Himmel auf, nimmt das Braunkehlchen in starrer und gestreckter Haltung eine „Pfahlstellung“ ein – und hofft so von Bussard, Rotmilan und Co. übersehen zu werden.
Um einiges beweglicher wird der 15 bis 24 Gramm leichte Vogel auf seinem Zug ins tropische Afrika, wo er in den Savannen und Grasländern südlich der Sahara den Winter verbringt. Kehrt das Braunkehlchen im April zurück aus dem Winterquartier nach Deutschland, hat der Langstreckenzieher mehr als 5.000 Kilometer hinter sich. Wie viele andere Zugvögel fliegt das Braunkehlchen nachts, tagsüber suchen es nach Nahrung oder ruhen sich aus. Bei uns angekommen hält es nach blütenreichen Wiesen und Brachen Ausschau, um hier in Bodennestern zu brüten. Für den Nestbau nutzt das Braunkehlchen Moos, Gräser und Halme – eben alles an Material, was auf einer naturnahen Wiese zu finden ist.
Seine benötigten Lebensgrundlagen findet das Braunkehlchen allerdings immer seltener: Ein Großteil der ehemals extensiv bewirtschafteten Wiesen wurde zu Ackerland umgewandelt oder fiel einer intensiven Weidewirtschaft zum Opfer. Der Einsatz von Pestiziden entzieht dem kleinen Wiesenbrüter außerdem die Nahrungsgrundlage, denn mit den Ackergiften verschwinden immer mehr Insekten, Spinnen und andere Kleinlebewesen.
Das hat gravierende Folgen: Inzwischen brüten in vielen Gebieten keine Braunkehlchen mehr. Allein zwischen 1980 und 2016 sank der Bestand in Deutschland um 57 Prozent. In der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands von 2020 gilt der Vogel des Jahres 2023 als stark gefährdet (Kategorie 2). Regional ist die Vogelart vom Aussterben bedroht. Aktuellen Schätzungen zufolge gibt es hierzulande noch rund 19.500 bis 35.000 Brutpaare, die meisten davon sind in Mecklenburg-Vorpommern zu finden.